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| Das kurze glückliche Leben der Bronzegießerei in der Landeskunstschule Hamburg
Nachdem
ich gelesen habe, was Fritz Fleer über die Gießerei geschrieben hat,
erinnere ich mich an den spürbaren Unterschied zwischen der
Biidhauerklasse bei Scharff und der qualmigen Gießerei, in der wir
unsere eigenen kleinen Herren waren. Hier der gemütliche Umgang und
kollegiale Ton, dort in der ,Klasse‘ der spürbare Druck, der von
Scharff ausging, der Druck eines Lehrers, dessen Duktus die
Unerbittlichkeit war. So ein wenig Zeus war eigentlich immer mit im
Spiel, wenn er Korrekturen gab. Unnachsichtig deckte er alle Schwächen
und Unarten auf, temperamentvoll auf die Person des Schülers
ausgerichtet, beschwörend manchmal, immer sehr eindringlich. Ich
meine, die mit viel Verve vorgetragenen Korrekturen — die sich meist
gegen etwas richteten — gegen: Unkonzentriertheit, lahmen Aufbau,
unintelligente Proportionierung, technische Übertreibung,
Allzuhandwerkliches etc. etc. — gingen von einem Lehrer aus, der
Widerstände beseitigen wollte, Widerstände, die sich vor die Begabung
legen können und sie hindern, sich zu entfalten, jedoch jenen eigenen
Widerstand fördernd, der Begabung vor schädlichen Einflüssen schützen
kann. Ein Künstler, der sehr stark an sich selbst erfahren haben
muß, wie, wann, wo Kunst entsteht oder ... mißlingt — diese persönliche
Erfahrung war wohl die stärkste Triebkraft für Scharffs Lehren; so wäre
jedenfalls auch der immer wieder völlig überraschende Wechsel in der
Einstellung zu seinen Schülern zu verstehen. Jener, den er drängen
mußte, sich zu mühen, Hindernisse zu überwinden in sich selbst, um
durchzustoßen in die Region der eigenen Begabung, hatte ein ,Stakkato‘
anzuhören; jener, dem etwas gelungen war, ein sehr behutsames ,Moderato
cantabile‘. Aus dem Lehrer wurde ohne Übergang ein väterlicher,
wohlwollender Kollege, der sich freute. Edwin Scharff hat in der
Zeit seines Arbeitsverbots in dem so wenig herrenhaften
,Blockwart-Paradies‘ Widerstand und Widriges praktiziert, und sicher
war davon auch noch einiges lebendig in der Zeit, als wir seine Schüler
waren. Seine dialektische Weise des Erklärens war auffällig; selten,
daß er jemandem einen ungeteilten Rat gab; immer stand das Erwünschte,
Anzustrebende neben dem zu Vermeidenden, dem Unerwünschten. ,,Wahrheit
läßt sich nicht bezeichnen, festlegen, auch Wirklichkeit ist nur
umschreibbar. Zwischen den beiden Polen des Positiven und des Negativen
wird noch am meisten davon spürbar: so auch in der Kunst; Gegensätze
erzeugen Spannung!“ Mag sein, daß sein starkes Gefühl für und gegen
Widerstehendes in Charakter und Herkunft begründet lag; es mag aber
auch sein, daß sein eigener Widerstand gegen die Schwachsinnigkeiten
des Dritten Reiches jenen Stachel gesetzt hatte, der ihn zwang, auch in
seinen Schülern Wachheit hervorzurütteln als einen Zustand möglichst
immerwährender ,Gegenwärtigkeit‘. Spannung ist übrigens ein Wort,
das er häufig gebrauchte, um die Plastik als gewölbte, räumliche
Ausdehnung zu beschreiben: Ein praller Apfel diente als Beispiel dafür,
pantomimisch unterstrichen durch nach außen drückende angewinkelte
Arme. Vieles von dem, was er meinte, drückte er so leibhaftig aus.
Seine Korrekturen waren eher Demonstrationen vor dem Objekt, selten
direkter Eingriff; er ließ die Schülerarbeit meist unberührt. Dies
zeigt sein Gefühl für die Grenzen seines Eingreifens, die Schülerarbeit
blieb immer jenseits seiner Berührung, im Gegensatz zur Person des
Schülers, der sein eigentlicher Widerpart war und für den es keine
Schonung gab, kein Halt vor Verletzlichkeiten. Ich habe Männer grün
werden sehen und Mädchen weinen. Er hat uns ziemlich eingeheizt,
damals, und dort manche Energieeinheit nachgestoßen, wo wir sie nicht
aufbrachten — aus welchen Gründen immer —, sie nicht entwickelt haben. Intensität,
Gegenwärtigkeit — wie man heute weiß — sind sehr wesentlich für jede
Generation, die immer wieder neu feststellt, klärt, welches die eigene
Position ist und welches die Kategorien sein könnten, nach denen
geurteilt und gearbeitet werden soll. Scharff hat dies gefördert und
alles heftig bekämpft — sei es von außen, sei es von innen —, was seine
Schüler an der Ausbildung ihrer Begabungen hätte hindern können.
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